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Die vielgeschmähten Microdrive-Laufwerke des Sinclair QL:

Das Medium der Sinclair Microdrive-Laufwerke sind die "Microdrive-Cartridges" oder kurz "Microcartridges":

Die Microcartridges hatte es - physikalisch - auch schon zuvor beim Sinclair ZX Spectrum gegeben, allerdings wurden sie dort ganz anders (und wesentlich simpler) formatiert und konnten maximal 96 KiB Daten aufnehmen - beim QL waren maximal etwa 110 KiB möglich. Auf dieser Seite geht es nicht um die Microdrives vom Sinclair ZX Spektrum, sondern ausschließlich um die Sinclair QL Microdrives:


Links eine leere Schutzhülle, in der Mitte die Microcartridge selbst, rechts die Microcartridge in ihrer Schutzhülle, so wie man sie aufbewahrte.
Die Microcartridges sind ein ausgesprochen kleines Speichermedium, eine Microcartridge in Schutzhülle misst etwa 34x45x8 mm.

Um Missverständnissen vorzubeugen: der Sinclair QL hatte zwei Microdrive-Laufwerke sozusagen "umsonst" eingebaut (auch ohne diese Laufwerke wäre der Preis des QL immer noch bahnbrechend niedrig gewesen !) - wer lieber Floppylaufwerke benutzen wollte, musste diese plus einen einsteckbaren Floppycontroller selbst dazukaufen, aber immerhin: man konnte sich die bevorzugte Speichertechnik frei wählen ! Bei den anderen Computern dieser Zeit musste man auf jeden Fall Floppylaufwerke dazukaufen (extern oder eingebaut), da man sonst entweder gar kein externes Speichermedium gehabt hätte, oder die Daten allenfalls per Audio-Anschluss auf ein Tonbandgerät hätte piepsen können (wie es z.B. beim berühmt-berüchtigten Commodore C64 der Fall war).

Trotz dieses klaren Vorteils, ein zusätzliches Feature zu bieten, das den Konkurrenten komplett fehlte, und das man andererseits auch ignorieren und sich "professionelle" Floppylaufwerke kaufen konnte, wurde der Sinclair QL im Jahre 1984 oft gerade wegen seiner Microdrive-Laufwerke immer wieder in der Presse schlecht geredet. Und selbst jetzt - nach über 20 Jahren - kann man im Internet immer noch auf allerlei Websites die Behauptung lesen, dass die Microdrive-Laufwerke so arg unzuverlässig gewesen sein sollen und angeblich "rasende Schnürsenkel" genannt worden sein sollen ...??

Also meine Erfahrung war damals eine andere: ich habe - ab 1984 - jahrelang den Sinclair QL benutzt, und habe damals oft mit anderen QL-Besitzern gesprochen. Ich und auch viele andere waren mit der Zuverlässigkeit der Microdrives durchaus zufrieden, diese machten nicht mehr Probleme als die damaligen Floppylaufwerke auch. Die meisten von uns haben damals zwar nach und nach auch Floppylaufwerke gekauft, auch ich, aber nur wegen der größeren Kapazität (720 statt ca. 110 KiB) und der höheren Geschwindigkeit. Und ich habe damals nie jemand "rasende Schnürsenkel" sagen hören - aber vielleicht hat es ja auch Benutzer gegeben, die mit dem Band der Microcartridges Schuhe zugebunden und dann Probleme mit ihren Microdrives bekommen haben ... :-)

Im Jahre 1986 hatte ich einmal auf einem Flug nach Japan meinen QL und "sein" Mitsubishi Floppylaufwerk im Koffer, der eingecheckte Koffer fiel im Frankfurter Flughafen unsanft in den Container, das Floppylaufwerk war kaputt, dem QL und seinen Microdrives war nichts anzumerken ! Und von einem Bekannten, der damals seinen QL auf eine Thailandreise mitnahm, hörte ich, dass nach kurzer Zeit seine zwei teuren Floppylaufwerke hitzebedingt den Dienst quittierten - während die Microdrives bei 40 Grad im Schatten weiter funktionierten ... soviel zu Robustheit und Zuverlässigkeit.


Ich denke, dass 1984 viele "Fachleute" aufgrund der Ungewöhnlichkeit dieser Laufwerke, wegen Problemen bei den ersten Auslieferungen, und wegen schlichter Verwechslung der QL-Microdrives mit den ZX-Spektrum-Microdrives zu falschen Schlussfolgerungen über diese Laufwerke verführt wurden, und wegen der daraus folgenden schlechten Beurteilungen, die in vielen Fachzeitschriften publiziert wurden, diese Laufwerke ein unverdient negatives Image erhielten.

Daher beschreibe ich die Microdrives hier etwas genauer, so dass Sie Sich selbst eine Meinung bilden können:

Das physikalische Speichermedium der Microdrives ist eine Miniatur-Bandkassette "Microcartridge" mit ca. 5 Metern Endlos-Band (2 mm breit) - diese Bandkassette ist physikalisch identisch mit den im ZX-Spektrum verwendeten Microcartridges - was das Laufwerk damit macht, sieht bei QL und ZX-Spektrum allerdings verschieden aus:

Beim QL laufen die 5 Bandmeter innerhalb von ca. 7 Sekunden einmal durch, die Aufzeichnung erfolgt in zwei Spuren parallel, d.h. von jedem Byte liegen 4 Bit in der einen und 4 Bit in der anderen Spur. Während beim ZX-Spektrum das Band auf herkömmliche Weise genutzt wird und die einzelnen Dateien am Stück und hintereinander auf dem Band liegen, sind die Dateien beim QL auf beliebig angeordnete Cluster verteilt, die mittels eines Directorys und einer Cluster Table verwaltet werden. Die Cluster Table erfüllt eine ähnliche Funktion wie die FAT im MSDOS-Format.

Eine QL-Microcartridge entspricht einer Floppy mit einem einzigen langen Track, der ca. 200-230 Sektoren zu je 512 Byte enthält. Bei der QL-Microcartridge wird jeder einzelne Sektor als Cluster behandelt, bei QL-Floppies mit 720 KiB Kapazität werden jeweils 3 Sektoren zu je 512 Byte zu einem Cluster zusammengefasst. Das QDOS-Format für Microdrives, Floppies und Festplatten war durch den im August 1984 vom Adder Verlag Cambridge herausgegebenen "QL Advanced User Guide" von Adrian Dickens beschrieben worden - damals die "Bibel" für Produzenten von QL-Laufwerken aller Art.

Im damaligen QDOS-Format war die Unterstützung von Subdirectorys erst angedacht gewesen, und bei den Microdrives und den meisten Floppycontrollern ist damals ganz darauf verzichtet worden (meines Wissens wurden erst bei den Festplatten für den QL auch richtige QDOS-Subdirectories implementiert). Andererseits ist das QDOS-Format flexibler als das MSDOS-FAT16-Format, da bei QDOS bereits das Root-Directory variable Länge besitzt, während es bei MSDOS nur eine feste Zahl von Einträgen aufnehmen kann - bei MSDOS sind lediglich die Unterdirectorys flexibel. Die 64-Byte-Einträge in einem QDOS-Directory nehmen sowohl längere Dateinamen (bis zu 36 Zeichen) und mehr Verwaltungsinformation auf als die 32-Byte-Einträge von MSDOS: so findet in den QDOS-Directory-Einträgen nicht nur die Dateilänge Platz, sondern bei ausführbaren Dateien auch die Länge des zu reservierenden Arbeitsspeichers. Und nicht nur das Datum der letzten Änderung, sondern auch das Datum der Erst-Erstellung und des letzten Lesezugriffs. Und die Timestamps sind bei QDOS sekundengenau.

Das beeindruckendste Feature des QDOS-Formats: beim Einlesen einer Datei nimmt das Laufwerk beim Vorbeilaufen des Bandes jeden Sektor, der zur Datei gehört, sofort entgegen und transportiert die Daten sogleich an die korrekte Zieladresse im Arbeitsspeicher - sozusagen "random". Unter MSDOS werden Daten dagegen immer streng sequentiell eingelesen. Das bedeutet, dass das Erst-Einlesen einer Datei vom Microdrive-Laufwerk, auch wenn sie z.B. 80 KiB gross ist und ihre Cluster durcheinander gewürfelt auf dem Medium liegen, im Normalfall nie länger als ca. 10 - 15 Sekunden dauert (= 1.5 - 2 Band-"Umkreisungen"). Länger dauert es nur bei verschlissenen Bändern, deren Sektoren mehrmals gelesen werden müssen, bis der Checksummentest grünes Licht gibt. Andererseits geschieht das Einlesen in vielen Fällen sehr viel schneller als man erwartet, denn das QDOS-Betriebssystem nutzt alle gerade nicht reservierten RAM-Kacheln automatisch als Band-Cache, so dass sich das physikalische Lesen vom Band oft erübrigt, wenn QDOS die Daten viel schneller direkt aus dem Cache herbeizaubern kann.

Ein weiterer Clou ist die Sinclair-typische "simple Lösung": die Laufwerke sind extrem preiswert konzipiert, ihr UNGEREGELTES Elektromotörchen treibt das Band einfach mittels eines aufgesteckten Gummirades an, d.h. in einem Laufwerk läuft dasselbe Band etwas schneller, in einem anderen langsamer. Was wie schlechte Qualität aussieht und Floppyfachleuten Tränen in die Augen treibt, ist hier indes bedeutungslos. Jeder Sektor wird nämlich von einem regelmäßigen Bitmuster (den "Synchronbits") eingeleitet, der QL erkennt daran die aktuelle Bandgeschwindigkeit und passt seine Schreib- und Leseroutinen für jeden einzelnen Sektor einfach per Software an die gemessene Geschwindigkeit an - mit einer Toleranz von plus-minus 30 Prozent ! Außerdem werden beim Formatieren einer Microdrive-Cartridge unzuverlässige Sektoren bereits beim automatisch damit verbundenen Prüflesen erkannt und in der Cluster-Tabelle als defekt markiert, so dass sie von QDOS von vornherein nicht benutzt werden. Auch dies erhöht die Sicherheit der Daten auf dem Medium.

Beim Formatieren einer Microcartridge werden 256 Sektoren rückwärts zählend (von Nr. 255 bis Nr. 0) auf das Band geschrieben, wobei einige der am Anfang geschriebenen Sektoren wieder überschrieben werden, weil gar nicht so viele auf das Endlosband passen. Danach wird durch Lesen des ersten nicht-überschriebenen Sektors festgestellt, bis zu welcher Nummer die Sektoren noch intakt bzw. nicht überschrieben sind - deshalb ist diese Zahl von Band zu Band etwas verschieden, bleibt nach dem Formatieren jedoch konstant. Wer schlau war, benutzte deshalb zum Formatieren immer das am langsamsten laufende Microdrive-Laufwerk, dann hatten die Cartridges hinterher bleibend mehr Kapazität ! Ich kannte jemand, der - natürlich nur beim erstmaligen Formatieren - die Cartridge mittels einer daruntergeschobenen Büroklammer etwas verklemmte, so dass das Band ein wenig langsamer lief - so konnte er bei den Microdrive-Cartridges regelmäßig 115 KiB - 120 KiB Kapazität "herausholen" ...

Im Jahre 1984 waren Floppylaufwerke und auch die Floppys selbst noch sehr teuer, die Microdrives waren von Sinclair als preiswerte Alternative gedacht gewesen - allerdings begannen just Ende 1984 die Floppypreise (Laufwerke und Medien) dramatisch zu fallen, und der Preisvorteil pro Byte kehrte sich ins Gegenteil um. Wie viele andere QL-Besitzer habe auch ich dann im Frühjahr 1985 einen Floppycontroller für den QL und zwei damals hochmoderne 90mm-Double-Density-Laufwerke (auch 3,5"-Floppylaufwerk genannt) mit je 720 KiB Kapaziät gekauft - während mein mehrfach teurer IBM PC-XT im Büro nur 360 KiB auf seiner 130mm-Floppy unterbringen konnte - gerade dreimal so viel wie der QL auf einer Microdrive-Cartridge.

Ich verstehe bis heute nicht, was damals im Kopf der Fachredakteure mehrerer deutscher Fachzeitschriften vor sich ging, die es fertigbrachten, den QL wegen seiner zwei standardmäßig eingebauten 110-KiB-Microdrive-Laufwerke zu verdammen und gleichzeitig den etwa gleich teuren Commodore C64 "mit null Laufwerken eingebaut" dafür zu loben. Da ein Arbeitskollege von mir damals einen C64 inklusive des teuren optionalen Floppylaufwerks besaß, haben wir einmal einen interessanten Performance-Vergleich unter Einbeziehung der Microdrives durchgeführt, hier das damalige Vergleichstest-Ergebnis.


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