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Ausführlich: Die Sharp X68000 Familie
1987-1995   (Japan)

Im Oktober 1986 wurde von Sharp auf der Tokyo Electronics Show ein ganz neuartiger Computer auf der Basis der Motorola 68000 CPU vorgestellt, in einem hellgrauen, interessant aussehenden Doppeltower-Gehäuse mit versenkbarem Tragegriff: der "Sharp X68000".

Der erste X68000:
Foto aus dem Originalprospekt von Sharp, 1987

CPU 68000/10 MHz
1 MiB RAM + 1 MiB Video-RAM
512x512 Pixel mit 65536 Farben
Stereo FM Sound, PCM Sound

Und just in diesem Monat begann für mich ein berufsbedingter fünfjähriger Aufenthalt in Japan - eine Koinzidenz, die für mich nicht ohne Folgen blieb. Nach der offiziellen Vorstellung des "X68000" dauerte es dann noch bis zum März 1987, bis der Ladenverkauf begann. Da Sharp ihn leider nur in Japan verkaufte, blieb er lange Zeit in Europa völlig unbemerkt - ansonsten wären damals wohl viele Computerfans nach Japan gepilgert, um einen zu ergattern.

Ich war indes zunächst mit Anderem beschäftigt, aber als dann im März 1988 die ersten Nachfolgemodelle auf den Markt kamen, der "X68000 ACE" und der "X68000 ACE-HD" mit eingebauter 20 MiB Festplatte, in hellgrau oder schwarz, konnte ich nicht mehr widerstehen, habe tief in meinen Geldbeutel gegriffen und mir das elektronische Wunderding in schwarz geleistet. Später (1991) bin ich dann auf ein noch stärkeres Modell, den "X68000 XVI-HD" mit 81 MiB Festplatte und SCSI-Bus umgestiegen (siehe meine X68000-Modellübersicht). Die Faszination an dieser Meisterleistung der Sharp-Ingenieure hat mich seitdem nicht wieder losgelassen: bis heute habe ich nie wieder einen anderen Computer kennengelernt, bei dem hardware-seitig fast alles so war, wie ich immer dachte, dass es sein sollte ...

Der Listenpreis des ersten X68000 (ohne Monitor) betrug anfangs 369000 Yen, ein Jahr später nur noch 319000 Yen, und beim Monitor hatte man die Wahl zwischen drei 15-Zoll-Modellen zu 99800 Yen / 119800 Yen / 148800 Yen - der erstere war "bloß" ein Farbmonitor, die anderen zwei konnten auch als Fernsehgerät arbeiten, und der dritte hatte eine verbesserte Bildröhre mit kleinerem Dot-Pitch als der zweite. Da die tatsächlichen Verkaufspreise in Japan aber NICHT die Listenpreise sind, sondern mit zunehmendem Abstand von der Markteinführung deutlich darunter bleiben (nach meiner Erfahrung nach einer Woche ca. 10% darunter, nach einem Monat 20% darunter, nach drei Monaten bis zu 30% darunter !), konnte man also schon im Spätfrühjahr 1987 für ca. 370000 Yen stolzer Besitzer eines kompletten X68000-Systems - ohne Drucker - werden. Das entsprach damals ca. 3700 DM und sieht nach einem stolzen Preis aus - tatsächlich waren damals aber auch die Preise vergleichbarer MSDOS-PCs auf demselben hohen Niveau, und in Japan sogar auf einem noch etwas höheren.

Randbemerkung: in Europa hört man manchmal etwas von einer sagenhaften "CZ-Serie", so etwas hat aber im Bewusstsein der Japaner nie existiert. Vor der X68000-Serie gab es in Japan die "X1-Serie", die auf der 8-bit-CPU Z80A basierte: Sharp verwendete aber in seinem Artikelnummern-System das Kürzel "CZ-" für fast alles, was irgendwie mit diesen beiden Computerfamilien zu tun hatte, und zwar auf eine ziemlich unsystematische Weise: so hatte ein "X1 TURBO Z" aus der X1-Familie die Artikelnummer CZ-880C, der "Ur-X68000" die Artikelnummer CZ-600C, das Top-End-Modell der X68000-Serie, der "X68030 Compact-HD" die Artikelnummer CZ-310C, ein 48-dot-Kanjiprinter die Artikelnummer CZ-8PC4, ein Color Video Printer hieß CZ-6PV1, einer der X68000-spezifischen 15-Zoll-Monitoren mit TV-Tuner und Lautsprechern hatte die Artikelnummer CZ-605D, und das optionale MIDI-Board für den X68000 hieß CZ-6BM1 - während der teure 21-Zoll-Monitor für den X68000 die Artikelnummer CU-21HD, und ein Farb-Inkjet-Printer die Artikelnummer IO-735X hatten. Dass die Versandabteilung von Sharp diese Nummern mit (meistens) "CZ-" am Anfang permanent verwendet hat, kann ich mir gut vorstellen, aber im normalen Sprachgebrauch wurden die CZ-Bezeichnungen allenfalls für Zubehörteile - zwecks Eindeutigkeit - verwendet, die Computer selbst waren unter ihren wirklichen Namen bekannt, und damit meine ich den Namen, den alle normalen Leute dafür verwenden, den Namen, der in der Werbung genannt wird, und der außen auf den Prospekten und vorne auf den Geräten steht, in diesem Fall also X68000. Für eventuellen Abgleichungsbedarf gebe ich die CZ-Artikelnummern aber in der Modell-Übersicht zusätzlich mit an.


Das Keyboard des X68000 hat 113 Tasten,
zum Teil mit Spezialfunktionen für die Japanisch-Eingabe
 
Tastatur-Ausschnitt: in 5 Tasten sind rot- und in 2 Tasten
grün-leuchtende Zustandsanzeigen eingebaut

Besonderheiten des X68000 (fortschrittliche Lösungen auf vielen Gebieten):

  • das bitmapped Text-VRAM (512 KiB) repräsentiert in seinen vier internen Bitplanes immer ein Bild aus 1024x1024 Pixeln, denen je Pixel eine von 16 Farben zugeordnet werden kann (diese 16 Farben sind frei aus einer Menge von 65536 Farben wählbar). Auf dem Bildschirm wird je nach Modus nur ein maximal 768x512 Pixel großer und beliebig verschiebbarer Bereich des Text-VRAM sichtbar - wie durch ein Guckloch.

  • das Grafik-VRAM (ebenfalls 512 KiB) kann in zwei alternative Modi geschaltet werden: entweder ebenfalls als Speicher für ein Bild aus 1024x1024 Pixeln mit 16 wählbaren Farben, oder als Speicher für ein 512x512 Pixel großes Bild - in diesem Fall hat man dann die Wahl, ob es sich um EIN Bild mit 65536 gleichzeitig verfügbaren Farben, um ZWEI Bilder mit 256 gleichzeitig verfügbaren Farben, oder um VIER Bilder mit nur 16 gleichzeitig verfügbaren Farben (jeweils aus der 65536-Farben-Palette wählbar) handeln soll.

  • das Sprite-VRAM (32 KiB) kann bis zu 128 verschiedene 16x16 Pixel große Sprites speichern, mit 16 wählbaren Farben und mit zwei Hintergrund-Ebenen. Beschränkt man sich auf nur eine Hintergrund-Ebene pro Sprite, können sogar bis zu 256 Sprites definiert werden. Diese sog. "Hardware-Sprites" erleichtern die Programmierung von Videospielen ganz erheblich.

  • die vielfältigen "Superimposing" Fähigkeiten des X68000: das Text-VRAM, Grafik-VRAM und Sprite-VRAM sind vollkommen unabhängig voneinander und können sich in vielerlei Arten gegenseitig überlagern. Dazu ein Beispiel für fortgeschrittene Graphik-Programmierung.

  • das VRAM im X68000 ist sog. "Dual-Port-RAM", so dass der Display-Controller (CRTC) und die CPU gleichzeitig darauf zugreifen können, ohne sich gegenseitig zu stören. Da obendrein der VRAM-Speicher zeilenweise und spaltenweise zyklisch adressierbar ist, kann man das Bild vollkommen ruckelfrei und in beliebigen Geschwindigkeiten in X- und Y-Richtung über den Bildschirm scrollen, ohne jemals an ein Ende zu stossen - so als wäre das 1024x1024-Pixel- oder 512x512-Pixel-Bild unendlich oft neben- und übereinander vorhanden.

  • das Static RAM im X68000 (16 KiB) ist batteriegepuffert und verliert seinen Inhalt auch bei einem Stromausfall nicht. Es steht Applikationen zur Verfügung, die davon Gebrauch machen wollen, ansonsten kann man es auch als ganz kleine (nicht-flüchtige) RAM-Disk konfigurieren.

  • die serielle Schnittstelle: bei IBM-Kompatiblen kann man aus dieser maximal 110 kbit/sec herausquetschen - beim X68000 sind es maximal 1,5 Mbit/sec. Und der Computer kann auch so eingestellt werden, dass bei Detektion eines Signals auf der seriellen Leitung, etwa von einem Modem her, aus dem Standby-Modus automatisch hochfährt und die zum Signal passende Anwendung startet - und nach getaner Arbeit das ganze OS wieder herunterfährt und sich wieder schlafen legt (nicht ohne auch den Monitor wieder ausgeschaltet zu haben).

  • die Real-Time-Clock: diese kann beim X68000 so schnell wie normales RAM ausgelesen werden (was bei IBM-Kompatiblen und PC98-Kompatiblen nicht der Fall ist). Im Übrigen kann sie auch so programmiert werden, dass sie den X68000 zu einer bestimmten Uhrzeit erweckt !

  • die Floppy Disk Laufwerke: auch wenn die zwei in das Gehäuse integrierten 130mm-Floppylaufwerke der älteren Modelle etwas antiquiert wirken - schon beim ältesten X68000 bieten die eingebauten Laufwerke mit Soft-Eject und Soft-Lock ("Soft" steht hier für "Software-kontrolliert" - über eine elektronische Taste mit integrierter Rot-/Grün-Leuchtanzeige") einen Komfort, den man damals hierzulande kaum kannte. Und bei Bedarf konnte man schon immer auch ein 90mm-Floppylaufwerk wenigstens extern zusätzlich anschließen.

  • die 3D-Display-Technik mit Hilfe einer (von dritter Seite zu erwerbenden) LCD-Shutterbrille - und das schon im Jahre 1987!

  • der standardmässige SASI-Anschluss der ersten Modelle, bzw. der standardmässige SCSI-Anschluss ab dem Modell "SUPER" (1991), erlaubt den bequemen Anschluss mehrerer externer Festplatten, und ist sehr viel komfortabler als das Fummeln mit den IDE-Einstellungen der meisten IBM-Kompatiblen.

  • der Boot-und-Shutdown-Knopf auf der Vorderseite (hinten ist auch ein echt elektrisch wirksamer Ein/Ausschalter vorhanden). Nach Antippen dieses Knopfes fährt der Computer hoch und schaltet dabei auch den Monitor an, oder wenn er schon läuft, fährt er sauber das Betriebssystem herunter und schaltet danach über Relais auch den Monitor und sich selbst aus. Anders als bei Windows PCs kann man sich darauf verlassen, dass er nicht unterwegs mit irgend einer dummen Frage wie "soll diese Applikation auch WIRKLICH (zwangs-)beendet werden ?" hängenbleibt.

  • eine "japanische Besonderheit" ist das andere Ausstattungskonzept: bei uns geht man immer von einer minimalen (und preiswerten) Ausstattung aus - jeder ist dann frei, sich seinen PC aufzurüsten, soweit er will, und mit welchen Komponenten auch immer. Das war beim X68000 ganz und gar nicht so, vielmehr kaufte man dort ein üppig ausgestattetes High-End-Gerät - als standardisierte "Grundausstattung". Die Folge davon ist, dass jeder X68000 über die gleichen herausragenden Fähigkeiten für Bild und Ton verfügt und die Softwareproduzenten (besonders bei Spielen) diese Möglichkeiten von Anfang an voll ausschöpfen konnten.
Links der titanschwarze Doppeltower des X68000 XVI-HD:

In der Mitte zwischen den beiden Towers (Höhe ab Tischplatte 36.4 cm) kann man den metallenen Tragegriff erkennen, der von einer Feder hochgeschoben wird, wenn man oben einmal darauf drückt (ich kenne sonst keine Desktops mit Tragegriff, aber ich finde das sehr praktisch bei einem 8,8 kg schweren Gerät).

Der Blickfang am Body der meisten X68000-Modelle sind wohl die zwei senkrechten Schlitze der sauber integrierten 130mm-Floppy-Laufwerke (HD-Format) mit den elektronischen Eject-Tasten darunter. Die Floppy-Aktiv-Lämpchen befinden sich über den Floppy-Schlitzen und sind nur schwach zu sehen, solange sie nicht leuchten.

Der "Stern" der X68000-Computerfamilie leuchtete 1987 - 1995 neun Jahre lang in Japan, vor der restlichen Welt praktisch "verborgen", und ich denke, daß Sharp damals einen großen strategischen Fehler gemacht hat, weil sie den X68000 nicht auch im Ausland angeboten haben.

Der letzte X68000 soll bei Sharp im Jahre 1995 produziert worden sein, aber die Fans sind bis heute nicht ausgestorben - ja es werden offenbar immer mehr, und zwar wegen der Spiele, und dank der inzwischen verfügbaren Emulationen des X68000 für die "farbigen Macs" und Windows PC ...


Technische Spezifikation der X68000 Computerfamilie
     
X68000 Modellübersicht 1987 bis 1995


DANKSAGUNG:
Viele Erkenntnisse zur X68000-Serie verdanke ich meinem deutschen Ex-Kollegen
Jörg Wittich,
der damals ebenso X68000-begeistert war wie ich.
Ihm möchte ich deshalb an dieser Stelle für seine zahlreichen Anregungen danken.


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